Lehrstuhlgeschichte
Römisches Recht an der Universität Graz – ein historischer Abriss
Seit Einführung eines Studium juris an der Universität Graz durch Maria Theresia im Jahre 1778 findet in Graz eine kontinuierliche Lehre des römischen Rechts statt. Römisches Recht war aber schon in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts an der protestantischen Landschaftlichen Schule in Graz gelehrt worden. Nach Aufhebung dieser Stiftsschule im Jahre 1598 gab es fünfzig Jahre hindurch keinen öffentlichen Rechtsunterricht in Graz. Im Jahre 1648 entschloss sich aber die steirische Landschaft zur Anstellung eines Professor juris. Von diesem Zeitpunkt bis zur Gründung der juridischen Fakultät im Jahre 1778 erfolgte ein Rechtsunterricht durch von der Landschaft besoldete Professoren. Der letzte landschaftliche Professor juris Joseph Balthasar Winckler wurde erster Professor an der Grazer juridischen Fakultät. Zweiter Professor wurde Franz Aloys Tiller. Beide Juristen waren sehr produktive Autoren. Von Winckler stammt u. a. ein zweibändiger Kommentar zu den Digesten: „Jus civile universum“ (Graz 1768).
In memoriam em. Univ.-Prof. Dr. Gunter Wesener
Der gebürtige Grazer Gunter Wesener verbringt in dieser „schönen, geruhsamen, der Größe nach überschaubaren, kulturell reichen Stadt“ – wie er sie selbst beschreibt – fast sein ganzes Leben. Trotz Neigungen für Geschichte, Latein, Sprachwissenschaft, aber auch Mathematik, entschließt er sich doch zum Studium der Rechte. Er ist dann nicht Richter geworden, wie es der Familientradition entsprochen hätte (der Stammvater Wolffgang Wesener [1494–1557] war Schultheiß in Halle an der Saale gewesen), sondern hat die akademische Laufbahn eingeschlagen.
Artur Steinwenter, der spätantikes Prozessrecht und Urkundenwesen in Rom, Griechenland und Ägypten erforschte, sich mit juristischem Denken und historischer Kontinuität im geltenden Recht befasste, gewinnt Wesener als jungen Mitstreiter und späteren Nachfolger auf den Lehrstuhl in Graz. Der Mentor lenkt das Interesse des Habilitandus auf Gebiete, die er selbst nicht bearbeitet hat. Hubert Niederländer rät ihm zur Etablierung einer „neuen“ Disziplin – der Privatrechtsgeschichte der Neuzeit. Daraus entwickelt Wesener seine Habilitationsschrift „Die Geschichte des Erbrechtes in Österreich seit der Rezeption“ (1957). In reiferen Jahren veröffentlicht er seine zweite bedeutende Monographie über „Römisches Recht und Naturrecht“ (1978). Dazwischen und danach verfasst er zahlreiche, umfang- und facettenreiche Arbeiten. Seine beeindruckende Schaffensperiode erstreckt sich auf 60 Jahre.
Gunter Wesener war zwei Mal Dekan der Grazer Rechtswissenschaftlichen Fakultät und blieb durch sein ausgleichendes Wesen allseits in Erinnerung. Im In- und Ausland bekleidete er viele Funktionen und erhielt zahlreiche Ehrungen. Als Gelehrter des Römischen Rechts und der Neueren Privatrechtsgeschichte erlangte er großes internationales Renommee in der Wissenschaft.
Bei Generationen von Studiereden war er als aufmerksamer, geduldiger und hilfsbereiter Lehrer äußerst beliebt. Gleich einem diligentissimus pater familias vermittelte er dem akademischen Nachwuchs Halt und Haltung.
Wir werden Prof. Wesener sehr vermissen. Uns verbindet gegenseitige Wertschätzung. Für immer.
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