Unter dem Titel „Verfassung schützt vor Diktatur nicht!“ fand am 22. September das erste Salonseminar im Schauspielhaus Graz statt. Vor vollen Rängen analysierte Bernhard Gollob vom Institut für Rechtswissenschaftliche Grundlagen die verfassungsrechtlichen Entwicklungen der Zwischenkriegszeit. Sein zentrales Argument: Sind gewisse Kipppunkte in Gesellschaft und Politik überschritten, bewahrt auch die ausgefeilteste Verfassung einen Staat nicht davor, in den Autoritarismus oder Totalitarismus zu stürzen.
Gollob illustrierte dies an rund 15 europäischen Staaten, die in den 1920er und 30er-Jahren trotz teils solider Verfassungsordnungen in autoritäre und totalitäre Regime abdrifteten. Darunter befand sich auch Österreich. Er zeigte, wie sich die 1. Republik Österreichs insbesondere durch Hyperinflation, gesellschaftliche Umbrüche und eine weitgehende Radikalisierung sowie durch die Stärkung der politischen Ränder dem Untergang näherte.
Das Gewaltmonopol des Staates ging in den 1920er-Jahren zusehends verloren, bekennende Faschisten in Form der Heimwehren trieben die Bundesregierung vor sich her. Die B-VG-Novelle 1929, so Gollob, muss daher vor allem als erster verfassungsrechtlicher Schritt in Richtung autoritären Staatsumbau verstanden werden. Mit der Zerstörung des Parlaments und des Verfassungsgerichtshofs im Frühjahr 1933 fand die erste österreichische Demokratie wenig später ihr Ende. Ab diesem Zeitpunkt wurde Österreich autoritär-diktatorisch regiert – trotz des in Kraft befindlichen B-VG.
Eindringlich wurde dargestellt, wie der Staatsumbau vom autoritär-diktatorischen Regime zwischen 1933 und 1934 vorangetrieben wurde. Es störte dabei nicht, dass die diesbezüglich erlassenen Rechtsakte beinahe durchgehend verfassungswidrig waren. Auch die Erlassung der sogenannten „Maiverfassung“ am 1. Mai 1934 stellte einen eklatanten Verfassungsbruch dar. Schlussendlich unterstrich Gollob, dass dauerhafte wirtschaftliche Krisen, fortwährende Delegitimierung der Institutionen, fortschreitende Radikalisierung und kontinuierliche Stärkung der politischen Ränder beinahe zwangsweise zum Sturz der liberalen-demokratischen Verfassungsordnung führen musste – trotz des damals wie heute in Kraft befindlichen B-VG.
Die Rückmeldungen zum ersten Salonseminar, das auch in der deutschen Presse Anklang fand, fielen durchwegs positiv aus.
Der Auftakt zur neuen „Salonseminar“-Vortragsreihe fand in Kooperation zwischen der Rechtswissenschaftlichen Fakultät und dem Schauspielhaus Graz statt. Initiativ verantwortlich zeichnen Bernhard Gollob (REWI Uni Graz), Elisabeth Tropper und Male Günther (Dramaturginnen am Schauspielhaus Graz).